S.O.S. (Shinjinrui on Sumo)
 
von Chris Gould

Im zweiten Teil dieser dreiteiligen Serie untersucht Chris Gould die Schwierigkeiten, die junge Japaner mit Sumo-Persönlichkeiten haben, und wertet aus, wie Sumo diesen Schwierigkeiten begegnen könnte.

Am 22. Januar 2006 überrumpelte der berühmte englische Fußballverein Manchester United seinen Erzrivalen Liverpool mit einem Tor in der letzten Minute. Der euphorische United-Verteidiger Gary Neville konnte sich kläglicherweise nicht beherrschen und feierte hochprovokativ vor den Fans von Liverpool. In einem Land, in dem die Fußballautoritäten in ständiger Angst vor Schlägereien im Publikum leben, wurden Nevilles Aktionen schwer missbilligt und er erhielt einen strengen Rüffel. Aber Nevilles ärgerliche Antwort auf diese Schelte zeigte den großen Drang der Fußballer und ihrer Anhänger, pure Emotionen herauszulassen. "Wollen die ein Spiel von Robotern?" wollte er von den Fußballautoritäten wissen.

Nevilles Worte passen gut zum heutigen Sumo. Sie liegen auf den Lippen von Japans Shinjinrui, der neuen Generation von unter-30-Jährigen, wann immer sie über ihren "National"sport nachdenken. Shinjinrui gehen ungezwungen mit Neville-esquen Gefühlsausbrüchen um und identifizieren sich stark mit Fußballern, K-1-Athleten und Tarentos (Fernsehstars, a.d.Ü.), die ihnen gefallen. Sie sind daher zutiefst gefrustet von Sumotori, die seit je her ihre Emotionen unterdrücken sollen. Sie fühlen sich um ihre Unterhaltung betrogen, wenn ein Ringer sich entschließt, seinen adrenalinstoßverurachenden Sieg dadurch zu feiern, dass er still in seine Ecke stapft, oder wenn sein Gegner einen Niederlage einstecken muss, unglaublich höflich ist und niemals die Entscheidung des Ringrichters hinterfragt.

In den Augen der Shinjinrui verstärkt diese emotionale Zurückhaltung nur das Bild von Sumo als Sport, der hoffnungslos von der Welt entfernt ist, wie sie sie sehen. So traurig sich das auch anhört, junge Japaner sehen Sumo zum großen Teil als surreale (wenn nicht sogar albtraumhafte) Gemeinschaft, überfüllt von dummen, fetten Menschen, die gezwungen werden, einer überflüssigen Samurai-Tradition die Treue zu schwören, und denen es nicht erlaubt ist, Autos zu steuern, in "normaler" Kleidung auf die Straße zu gehen oder ohne die Erlaubnis ihres Trainers zu heiraten. Shinjinrui scheinen überzeugt davon, dass Top-Fußballer und Medienstars beneidet werden sollten, wohingegen Sumotori nur bemitleidet werden sollten. ("Die jüngeren müssen den älteren den Hintern putzen, nicht wahr?" fragte einmal einer.) Es sind diese Vorstellungen, mit den der Sumoverband (NSK) schnellstens aufräumen muss, wenn er Anschuldigungen entkräften will, das Sumo ein "Sport von Robotern" ist.

Persönlichkeitsprobleme?
Der Mangel an Emotionen im Sumo ist weit verdrießlicher für die Shinjinrui als es für deren Eltern war. Während viele ältere Frauen in Sumotori Sexsymbole sehen, finden jüngere Frauen die schwabbelnden Sumo-Figuren eher abstoßend. Während Rikishi als leuchtende Vorbilder an Kraft für ältere Männer gelten, sind sie nur schwerfällige Athleten für die jüngeren Männer, die nach K-1 und Baseball verrückt sind. Unfähig, die Sumotori nach Sex-Appeal oder Tapferkeit zu bewerten und aufgereizt durch Medien, die mehr und mehr Prominente zeigen, bewerten Shinjinrui die Sumotori nach Persönlichkeit. Wie leicht vorherzusehen ist, finden sie wenig Inspiration in den kurzen, monotonen Antworten, die Rikishi in den Interviews nach ihren Kämpfen murmeln, und tatsächlich führen diese Ringer die meisten ihrer Kämpfe in emotionaler Leere. Sie finden es auch komisch, wenn Sumotori sich selbst bei einer seltenen Gelegenheit dabei ertappen, wenn die Leidenschaft sie überwältigen will, wenn sie nach einer Niederlage in sonderbarer Weise auf den Ringboden schlagen, oder wenn sie eine Siegesfaust andeuten.

Offensichtlich wird der bei den Shinjinrui populärste Sumotori es nicht wegen seinem Sumo-Können, sondern wegen seiner extravaganten Dohyo-Persönlichkeit. Ironischerweise ist das aber gerade der Ringer, der am meisten an einen Roboter erinnert! Nahezu jeder junge Japaner hat von Takamisakari gehört, der Mann, der Robocop genannt wird wegen seines mechanischen Hinkens und der Tendenz, das Shikiri-naoshi wie ein Roboter mit Fehlfunktion zu betreiben. Es ist für Shinjinrui nicht von Bedeutung, dass Taka niemals einer der ganz Großen wird; die Tatsache, dass er sich im Ring bizarr verhält und außerhalb davon die Beatles hört, macht ihn akzeptabel genug. Der zweite in der Beliebtheits-Rangliste der Shinjinrui ist Kotooshu, aber nur weil sein gutes Aussehen mit dem eines Fußballers, David Beckham, verglichen wurde. Der drittebeliebteste (und auch meistgehasste) Ringer ist Asashoryu, der bei weitem beste Rikishi zur Zeit, aber oft von jungen Menschen wegen seines feurigen Temperaments genannt. In der Worten der 17-jährigen Fumiko: "Ich verstehe, warum junge Menschen sich auf ihn beziehen, wenn er Gefühle zeigt. Wir erkennen seine Emotionen."

Unglücklicherweise für Shinjinrui werden solche Aussagen vom NSK nicht geteilt, der blanke Emotionen als inkompatibel mit dem Samurai-Kodex des Sumo betrachtet und dadurch eine weitere Mauer zwischen sich und den jungen Japanern zieht. Shinjinrui verstehen die Zurechtsweisung Asashoryus nach einem Gefühlsausbruch durch den NSK als Affront gegen ihre Werte. Sie sehen es auch als zu streng an, einen Sumotori (z.B. Kotokanyu) zu entlassen, weil er einen Gegner ungerechterweise geschlagen hat, während Fußballer für das gleiche Vergehen nur eine kurze Suspendierung erhalten.

Um um die Akzeptanz der Shinjinrui zu werben, muss Sumo vollständig das tugendhafte Denken hinter der Zurückhaltung von Emotionen erklären. Es muss damit beginnen, zu betonen, dass ein Sumotori dem Feiern von Siegen oder den Betrauern von Niederlagen nicht abschwört, weil er zuwenig Emotionen hat. Er folgt vielmehr loyal einer Aussage des Kriegerkodex ähnlich dem, der in der Abhandlung Hagakure beschrieben ist: "Natürlich sollten wir versuchen, nicht mutlos zu werden und wenn wir sehr glücklich sind, sollten wir unseren Geist beruhigen." Wendet man diese Aussagen auf das moderne Japan an, sollte der NSK besonders auf die Niederlage hinweisen. Man sollte den physischen Schmerz herausheben, den Ringer fühlen, wenn sie auf den massiven Tonboden geworfen werden, und sollte die große Willensstärke, die es braucht, einfach zu schmunzeln und es zu ertragen. Ruhig sein sollte "cool" sein.

So schwer es auch sein mag in einer Gesellschaft, die immer mehr eine Vorstellung über eine Handlung stellt, sollte der NSK das ausdruckslose Gesicht eines Sumotori als ein Symbol des Heldentums bewerben. War es nicht so ein Gesicht, mit dem Chiyonofuji den Kindstod seiner Tochter verdrängte und das Yusho im Juli 1989 gewann? War es nicht heldenhaft von Wakanohana I, stoisch an dem Turnier teilzunehmen, das dem tragischen Tod seines Sohns folgte, oder von Tochinishiki, ungerührt einen Titelkampf zu gewinnen im vollen Wissen, dass sein Vater die Nacht zuvor verstorben war? War es nicht genauso heldenhaft von Musashimaru, seine letzten paar Kämpfe ohne Benutzung seiner verletzten linken Hand zu bestreiten, oder von Onokuni, der sich nur mit leicht verzerrtem Gesicht nach seinem Kampf verneigte, in dem er sich das Fußgelenk gebrochen hatte? Ist es nicht unglaublich, dass Taiho sich nicht darüber beschwerte, dass eine schlechte Ringrichterleistung seine Siegesserie von 45 Siegen beendete und ihn stattdessen sogar so dastehen ließ, als hätte er die falsche Taktik angewendet? Mit solch starken Beispielen bewaffnet kann der NSK stolz verkünden, dass hinter den reservierten Sumo-Persönlichkeiten ein Überfluß an Inspiration liegt.

Noch mutiger könnte der NSK in Betracht ziehen, den Shinjinrui nahezubringen, dass trotz der Auftritte auf dem Dohyo die jungen Deshi hinter den Kulissen mit ihnen viel gemeinsam haben. Sumo-Trainer glauben fast einhellig, dass die heutigen Anfänger weniger hart als noch vor zwanzig Jahren trainieren. Hin und wieder erscheinen diese Kommentare in den Medien (wie z.B. die von Taiho im Jahr 2005) und werden von den Shinjinrui als weiterer, überflüssiger Angriff von alten Käuzen auf ihre Werte verstanden. Mit einer kleinen Drehung könnten diese Kommentare über die Mauer bei den Shinjinrui unter der Überschrift "Unsere Deshi sind genau wie Ihr!" ankommen. Kombiniert man dasmit den Aubrüchen der Oyakata, die behaupten, dass die jungen Deshi "die Alten nicht respektieren", kann Japans Jugend gezeigt werden, dass ihr Wunsch nach Individualität und Rebellion von den Sumo-Anfängern geteilt wird. Der NSK sollte erklären, dass, entgegen allgemeiner Vermutungen, Sumotori – vor allem die älteren und in den höheren Rängen – in der Tat soziale Kontakte haben! Der NSK sollte auch betonen, dass es nicht seine Mission ist, freidenkende junge Männer in Zombies zu verwandeln, sondern diese Männer dazu zu ermutigen, einen besonderen Verhaltenskodex einzuhalten. Es sollte unterstrichen werden, dass kein junger Deshi gezwungen werden kann, ihn einzuhalten, und dass die Ausgangstür stets für die offen steht, die von den Anforderungen des Sumo überwältigt werden. In der Tat trennen sich jedes Jahr die Wege vieler Sumotori (manchmal großer Namen wie Futahaguro) und des NSK aus diesem Grund. Die, die das Sumo bis zum bitteren Ende betreiben, sollten einfach dafür verehrt werden, dass sie so lange dabei bleiben.

Durch das Zurückhalten der Gefühle und nicht durch Verspotten desselbigen, sollten japanische Jugendliche erkennen, dass Sumotori kein fremdes Volk von sozialen Außenseitern, sondern selbst Shinjinrui sind, die, meist aus freier Wahl, ihr Verhalten geändert haben, um sich dem System anzupassen. Das sollte, wenn nicht unbedingt als "cool", so doch als lobenswert von der jungen japanischen Bevölkerung aufgefasst werden, die viel mehr das System an sich anpassen wollen.

Was ist mit dem Westen?
Persönlichkeit wird besonders sachdienlich, wenn das Sumo sich dazu entschließt, seine Basis durch Ansprache von nicht-japanischen Fans zu verbreitern. Obwohl es viele westliche "Bekehrte" gibt, die die Sumo-Traditionen verehren, spricht Dr. Lyall Watson nicht für alle, wenn er sagt: "Wir wollen nicht, dass sich Sumo in Wrestling verwandelt." Eine der bemerkenswertesten Tatsache der US Sumo Open von 2006 war zum Beispiel, wie die Zuschauer – die meisten davon "Uneingeweihte" – in den Momenten mitgingen, die dem Wrestling am ähnlichsten waren, wie etwa als der bulgarische Kämpfer Stilian Georgiev theatralisch die Entscheidung eines Offiziellen diskutierte.

Georgiev, bei dem solche Diskussionen gang und gäbe sind, ist ein glühender Anwalt des emotionalen Sumo. "Ja, ich will mehr Emotionen im Sumo", sagte er mir. "Wenn ich gewinne, schlage ich in die Luft und springe herum. Ich will das machen. Und einmal, als ich verlor, schlug ich einen Stuhl herum." Noch unter 30 Jahren kann Georgiev genau verstehen, warum gleichaltrige Japaner die Sumotori verspotten und ist beeindruckt, dass einer seiner quirligen Ex-Trainingspartner, Ozeki Kotooshu, sich an die Benimmregeln des Sumo angepasst hat. Er wirkt ein bißchen aufgebracht, dass Kotooshus – oder Kaloyan, wie Georgiev ihn nennt – Persönlichkeit durch das professionelle Sumo verändert wurde: "Kaloyan war vorher immer ein lustiger Kerl, aber jetzt ist er ernster." Trotzdem bewundert er professionelle Sumotori, die regungslos bleiben, wenn sie zum wiederholten Mal vom Bambusstock ihres Meister getroffen werden. (Er sagt, er würde einfach zurückschlagen.)

Professionelle Sumotori haben schon erkannt, dass die westliche Gier nach Emotionen im Sport befriedigt werden muss. Folglicherweise haben sie oft das Shikiri-naoshi aufgebauscht (z.B. durch übertriebenes Starren), wenn sie auf Auslandstour waren; aber ein Rikishi sollte sich nicht gezwungen fühlen, Emotionen zu zeigen. Viel mehr sollte der NSK die Auslandstouren in zwei Segmente unterteilen. Das erste sollte 45 Minuten Jungyo (Training) sein und den Sumotori Lebhaftigkeit, oder sogar Hana-zumo (Comedy-Sumo) erlauben. Das zweite Segment sollte versuchen, eine Basho-Gefühl zu vermitteln. Auf diese Art könnten die "spielerische" und die "professionelle" Seite der Sumotori getrennt werden, ohne dass sie sich negativ beeinflussen, und den Zuschauern einen genaueren Einblick in die vielschichtigen Sumo-Persönlichkeiten vermitteln.

Frauen, die es satt haben?
Professionelles Sumo ist nicht die frauenfreundlichste Umgebung. Die Verehrung der Shinto-Religion bringt das Festhalten der Ansicht mit sich, dass die Menstruationsblutungen ein Zeichen von Unreinheit sind. Foglich wurde es Frauen nie erlaubt, einen Fuß auf einen Dohyo zu setzen, da alle professionellen Dohyo in einer Shinto-Zeremonie geweiht werden. Diese Angelegenheit verdeckt die Tatsache, dass Sumo voll von wichtigen Frauen ist, die als Okami-san (Frau des Stallbesitzers) bekannt sind und viele Dinge der Verwaltung des Stalls übernehmen. Keine weibliche Befragte hat bisher zugegeben, allein wegen der Einstellung des Sumo zu Frauen davon abgekommen zu sein, aber viele bemängelten den Status quo.

Während ältere Männer darüber spotten, sind Shinjinrui-Frauen unbeeindruckt von dem Umgang mit Osakas erstem weiblichen Gouverneur, Fusae Ota, die unermüdlich um die Erlaubnis des NSK warb, dem Gewinner des Turniers in Osaka einen Preis überreichen zu dürfen. Vier Jahre hintereinander war der NSK hin- und hergerissen zwischen dem Hinwegsetzen über ein 47 Jahre altes Gouverneursrecht oder über eine Shinto-Doktrin, und bevorzugte stets die erste Variante. Trotzdem ist die "Ota-Frage" nie verschwunden und ein ausgewähltes Publikum wurde während des November-Basho 2004 dazu befragt (wenngleich mit belustigend indirekten Fragen).

Es ist in der Tat wahr, dass ältere Frauen in der Regel von der Unterordnungsdebatte verwirrt sind. Wie es uns Liliane Fujimori erklärt: "Sie fühlen sich nicht mehr ausgegrenzt als die Männer. Sie finden es ganz normal, dass sie nicht auf den Dohyo steigen können und es damit nicht wagen sollten, nur so zu tun, als könnten sie es mit der körperlichen Kraft dieser großen Männer aufnehmen." Aber unglücklicherweise für Sumo gibt es keine Anzeichen, dass sich junge Frauen genauso verhalten werden. Shunjinrui-Frauen glauben, dass es ihr Ziel ist, finanziell unabhängiger als ihre Mütter zu werden. Sie sind überzeugt davon, dass sich der Sexismus in der japanischen Gesellschaft während ihres Lebens verringert hat – besonders seit der Flut der vorläufigen Gleichstellungsgesetzte seit 1985 – und geben kleine Hinweise auf passive Diskriminierung, besonders im Sport. "Ich weiß, was es bedeutet, eine Frau in einer männerdominierten Sportart zu sein", sagt eine selbstsichere 16-jährige, während die Aufseher nicken. "Ich betreibe Shorinji-Kempo, und es ist hart. Die Jungen lachen und ich empfinde das als Diskriminierung." Diese sich ändernden sozialen Anzeichen bringen düstere Zeichen für das Sumo mit sich, auf den Punkt gebracht von Naomi, die Ende 20 ist: "Wenn Fans wie meine Mutter oder meine Großmutter nicht mehr zusehen, wie will das Sumo sie ersetzen? Wie will Sumo den Frauen erklären, dass sie einen Sport lieben sollen, der sie unterordnet?" Und Tomoko, ein Teenager, fügt hinzu: "Alte Frauen lieben Fleisch, aber die jungen Frauen finden den Mawashi furchtbar geschmacklos."

Da der NSK wahrscheinlich Jahrzehnte braucht, um seine Stellung richtig einzuschätzen, könnte eine schnellere Lösung des Problems im Amateur-Sumo liegen. Frei von Shinto-Beschränkungen brachte das Amateur-Sumo im April 1996 die Japanese Women's Sumo Association (Japanischer Frauen-Sumo Verband) hervor, und die Kämpferinnen schnallten sich den Mawashi um einen Turnanzug. Das Frauen-Amateur-Sumo ist mittlerweile eine weltweite Bewegung, die mit einigen Stars aufwarten kann, die neue weibliche Fans anlocken sollten.

Einer dieser Stars ist Hiroko Suzuki, die talentierte japanische Mittelgewichtsringerin, die zwei Goldmedaillen in den US Sumo Open 2005 gewann. In ihren Shinjinrui-Jahren war Hiroko in mehreren Sportarten erfolgreich, unter anderem Judo und American Football, und bewirbt jetzt Sumo in wahrem Shinjinrui-Geist. "Ich begann mit dem Sumo, um Frauen-Sumo populärer zu machen", sagt sie. "Es ist notwendig, mehr weibliche Ringerinnen zu haben, um die Popularität von Sumo weiter zu steigern. I hoffe, dass auch andere Frauen helfen werden, die Frauen-Sumo-Bewegung voran zu bringen." Die Mehrung von Frauenrechten im Sumo müsse vorsichtig angegangen werden, sagt Hiroko. "Wir müssen beachten, dass Sumo einen uralten Hintergrund hat und es eine wichtige Rolle in der japanischen Geschichte spielt. Wir müssen Zeit und Mühe investieren und eine große Abmachung mit dem professionellen Sumo treffen, wenn Frauen jemals auf dem professionellen Dohyo erlaubt werden sollen." Im Moment liegt ihr daran, Menschen zu den Veranstaltungen zu bringen, und sie findet es zweifellos ironsich, dass der Sport, der einmal ein Gesetz zum Verbot von Frauen erlassen hatte, nun gern um die Unterstützung der Frauen bettelt.

Die Rekrutierung von Frauen für das Sumo wird nicht gerade unterstützt von dem Aufhebens um negative Berichte in den Boulevardzeitungen, die die gescheiterten Romanzen von Sumotori ausschlachten. Solche Geschichten dienen nur dazu, das weibliche Misstrauen gegenüber dem Sumo zu vergrößern, und resultieren oft in der Parteiergreifung für die Freundin des Kämpfers. An einen besonderen Vorfall im Jahr 1993, der damit endete, dass der bekannteste Kämpfer, Takanohana, die bezaubernde Schauspielerin Rie Miyazawa verließ, erinnert sich noch immer fast jede Shinjinrui über 20. Die Schlussfolgerungen, die scheinbar sowohl männliche als auch weibliche Shinjinrui gezogen hatten, waren diese: Rie (die Tarento) war "cooler" als Taka (der Sumotori); dass Taka (der Sumotori) Rie (die Tarento) nicht verdient hatte; und dass die Trennung allein die Schuld von Taka (dem Sumotori) war. Obwohl "Rie-gate" einige Schlüsselfragen aufwarf, wie das Sumo die Frauen behandelt, haben Shinjinrui-Frauen sie scheinbar ignoriert und sind stattdessen zur Überzeugung gekommen, dass Sumotori fade Persönlichkeiten sind und Tarento eher deren Respekt verdienen.

Die Rolle von Frauen im Sumo wäre ein eigener Artikel (behalten Sie diese Seite im Auge...). Wenn allgemeinere Marketingstrategien versagen, werden im Moment Shinjinrui-Frauen nur schwer zu rekrutieren sein, wenn nicht das professionelle Sumo die Verbindungen zum Amateur-Sumo stärkt oder – vielleicht undenkbar – die Verbindungen zum Shinto neu bewertet.

Die Sehnsucht nach einem Yokozuna
Am 21. März 2005 überstieg die Popularität des bekanntesten Sumofans der Welt, des französischen Präsidenten Chirac, im japanischen Volk die in seinem Heimatland, als er verkündete: "Ich hoffe, der nächste Großmeister wird ein Japaner sein." Das Fehlen eines japansichen Yokozuna ist die einzige Angelegenheit, in der sich Sumofreunde und –feinde einig sind. Sogar die sumohassenden Shinjinrui geben zu, dass trotz der Schwierigkeiten, sich mit Sumo-Persönlichkeiten zu identifizieren, sie gerne eine japanische Persönlichkeit sehen würden, die den Status eines Yokozuna hat.

Und das sollten sie auch. Als Engländer kann ich bestätigen, dass Nationen es nicht gerne sehen, wenn ihre sportlichen Repräsentanten vorgeführt und gedemütigt werden. Seitdem Verfall von Takanohana II im Jahr 2001 mussten die japanischen Sumotori und Zuschauer ständig diese Demütigung erleiden. Der Hawaiianer Musashimaru dominierte 2002, bevor der Mongole Asashoryu in nie dagewesene Höhen stieg und sieben Turniere in Folge sowie die meisten Kämpfe in einem Kalenderjahr (84 von 90) gewann. Da die japanischen Kämpfer nur mittelmäßigen Widerstand leisten, haben die Shinjinrui einen weiteren Grund gefunden, das Sumo mit Kommentaren wie denen des 24-jährigen Keisuke schlechtzureden: "Es ist jetzt langweilig. Es gibt keinen japanischen Yokozuna, und die Ozeki sind schlecht." Andere junge Männer, wie der 25-kjährige Kentaro, geben den Vorkommnissen einen überraschenden patriotischen Hintergrund: "Das ist in keinster Weise ein rassistischer Kommentar, aber es ist eine große Schande, dass unser traditioneller Sport, unser Nationalsport, keinen japanischen Yokozuna hat. Tief im Herzen fühlen wir die Pflicht, unseren Nationalsport zu beherrschen."

Sumo-Journalistin Michiyo Ishida wiederholt unerbittlich, dass Sumo einen hier aufgewachsenen Held braucht, um den Sport über alle Altersgruppen hinweg zu beleben. "Bis Wakanohana und Takanohana zurücktraten (2000 und 2003), wurde Sumo von sehr vielen Menschen in allen Altersgruppen verfolgt",schreibt sie. "Heute haben wir keine Stars wie Taka und Waka, und die Öffentlichkeit hat insgesamt das Interesse verloren." Im Januar 2006 verschaffte der japanische Ozeki Tochiazuma Ishidas Behauptungen Gewicht, indem er wie ein Yokozuna kämpfte und viel mehr Menschen in den Kokugikan strömten. Aber Ishidas Analyse wird von vielen Shinjinrui in Frage gestellt, die darauf bestehen, dass die Popularität von Sumo schon lange vor den Intai von Waka und Taka nachließ. Die Analyse kann auch nicht den kurzen Popularitätsaufschwung erklären, als ein nichtjapanischer Kämpfer, Kotooshu, kurz davor war, im September 2005 das Yusho zu gewinnen.

Das Ergebnis ist (und besonders wenn man bedenkt, dass es keine realistische japanische Yokozuna-Hoffnung gibt), dass einige Beobachter schließen, man sollte nicht um einen neuen japanischen Yokozuna beten, sondern um Persönlichkeiten, die Exzellenz verkörpern. In den Worten von Fujimori: "Sumo ist ein Spektakel und das wichtigste daran ist, dass es sich um Kämpfer drehen sollte, die (da sie alle sehr stark sind) auch Persönlichkeit besitzen und charismatisch genug sind, um Zuschauer zu mobilisieren. Es ist nicht notwendigerweise so, dass die Kämpfer Yokozuna sein müssen, aber sie müssen Respekt einflößen und mit echter Intensität kämpfen." Sie ist weit davon entfernt, alleine zu sein mit dem Glauben, dass das heutige Sumo durch defensive Kämpfe zerstört wird, was sogar von überzeugten Änhängern als langweilig empfunden wird. Diese Ansicht setzt voraus, das die Rikishi durch Nachvornegehen und Angreifen Respekt einflößen, ohne Angst vor dem Ergebnis, und bringt den Fokus wieder auf die Themen, die in der letzten Shinjinrui-Folge behandelt wurden.

Aggressive, furchtlose Persönlichkeiten auf dem Dohyo können nur durch härtestes mentales und physisches Training im Heya geformt werden, sagt Dr. Lyall Watson, der behauptet, dass: "Die Zukunft des Sumo hängt ganz von einer Rückkehr zum klassischen Sumo ab. Was man braucht, ist ein neues 'goldenes Zeitalter', mit Trainern und Kämpfern, die zurück zu den grundlegenden Prinzipien gehen, und Rikishi, die sich selbst dieser Kunst widmen." Zu einer Zeit, zu der Shinjinrui bedingunglos die Modernisierung des Sumo fordern, könnte eine stärkere Hinwendung zur Tradition riskant erscheinen. Wenn das Sumo diese Strategie verfolgt, würde es zwischen Vergangenheit und Modernisierungsinitiativen balancieren müssen. Zur Zeit leidet das Sumo unbestreitbar an einem tiefen Graben zwischen den eigenen Werten und denen der Shinjinrui. Nach einer blinden Verfolgung auseinandergehenden Pfade haben der NSK und die Shinjinrui gewaltige Unterschiede in ihrer Weltanschauung. Je länger beide darauf beharren, dass ihre Ansicht die einzige richtige ist, desto mehr steht Sumo auf verlorenem Posten.

Nachdem wir nun kurz die psychologischen und emotionalen Mauern zwischen Shinjinrui und der Freude an Sumo untersucht haben, werden wir im letzten Teil dieser Trilogie die strukturellen Grenzen betrachten. Wir überdenken, ob Tickets zu teuer und zu schwer zu bekommen sind, ob Turniere in zu wenig Städten stattfinden, ob das Jungyo-System eine Reform benötigt und ob der NSK sich mehr mit dem Amateur-Sumo zusammentun sollte.


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